Jesus steht über der jüdischen Tradition – Erläuterung der Hintergründe

Gedanken zur Bibellesung am Di. 18. April 2023

Die Bibel nach der Schlachter 2000 Übersetzung

Lukas 5,33-39

33 Sie aber sprachen zu ihm: Warum fasten die Jünger des Johannes so oft und verrichten Gebete, ebenso auch die der Pharisäer; die Deinigen aber essen und trinken?
34 Und er sprach zu ihnen: Könnt ihr die Hochzeitsgäste etwa fasten lassen, solange der Bräutigam bei ihnen ist?
35 Es werden aber Tage kommen, da der Bräutigam von ihnen genommen sein wird; dann werden sie fasten in jenen Tagen.
36 Er sagte aber auch ein Gleichnis zu ihnen: Niemand setzt einen Lappen von einem neuen Kleid auf ein altes Kleid; denn sonst zerreißt er auch das neue, und der Lappen vom neuen passt nicht zu dem alten.
37 Und niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche; denn sonst wird der neue Wein die Schläuche zerreißen, und er wird verschüttet, und die Schläuche verderben;
38 sondern neuer Wein soll in neue Schläuche gefüllt werden, so bleiben beide miteinander erhalten.
39 Und niemand, der alten trinkt, will sogleich neuen; denn er spricht: Der alte ist besser!

Der Konflikt um die Bewahrung der Tradition liegt auch dem heutigen Text zugrunde. Da drei Evangelien dasselbe berichten, wird hier nur Lukas näher betrachtet. In Vers 33 geht es um das Fasten. Das ist aus Sicht der Pharisäer nicht in Ordnung.

Heute möchte ich etwas konkreter auf die Hintergründe der jüdischen Tradition eingehen und beziehe mich dabei auf das Buch von Dr. Arnold G. Fruchtenbaum mit dem Titel „Jeschua, Das Leben des Messias, aus messianisch-jüdischer Perspektive“. Dieses Buch fasst das Lebenswerk von Herrn Fruchtenbaum in komprimierter Form zusammen und erklärt verständlich die Hintergründe vieler Themen. So auch die Traditionen und Gesetze der Pharisäer, die zur Zeit Jesu galten.

Es ist daher wichtig, den Hintergrund der Tradition zu verstehen, um zu erkennen, warum Jesus von den Pharisäern nicht akzeptiert wurde. Denn auch Jesus akzeptierte die Weltanschauung der Pharisäer nicht. Sonst hätte er die Fastenzeit nach ihren Vorstellungen gehalten.

Nach Fruchtenbaum, S. 150-155, begann der Konflikt etwa 400 Jahre früher. Nach der Rückkehr der Israeliten aus der babylonischen Gefangenschaft lebte das biblische Judentum mit seinen Festen, Opfern und seinem Kalender wieder auf. Mit dem Ziel, die mosaischen Gesetze nie wieder zu übertreten, entstand das rabbinische Judentum. Die rabbinischen Schulen begannen um 400 v. Chr., neue Gesetze zu erlassen. Das mosaische Gesetz bestand aus 613 Geboten. Die Rabbiner dachten sich: Damit keines der 613 Gesetze übertreten wird, schaffen wir einen Rahmen von Gesetzen, die zuerst übertreten werden müssen, um überhaupt zu einem der mosaischen Gesetze zu gelangen.

Diese zusätzlichen rabbinischen Gesetze wurden nicht willkürlich erfunden. Schließlich hatte man erkannt, dass die Übertretung der mosaischen Gesetze Gott erzürnte, und man wollte nicht wieder in die Gefangenschaft zerstreut werden.

So haben z.B. die sog. „Sopharim“ das mosaische Gesetz aus 5. Mos. 14,21 wie folgt verschärft (pilpul). Dort heißt es: „Du sollst das Böcklein nicht in der Milch seiner Mutter kochen“. Genau das taten zur Zeit der Gesetzgebung die heidnischen Kaaniter als Götzendienst. Um sich also abzugrenzen und ein „heiliges Volk“ zu sein, gebot Gott den Israeliten, dies „nicht“ zu tun.

Die Rabbiner fragten sich, wie man die Einhaltung dieses Gesetzes so verstärken könnte, dass es nie wieder gebrochen würde. Das Ergebnis war, dass Juden nicht gleichzeitig Milchprodukte und Fleisch essen dürfen. Beide Nahrungsmittel müssen mindestens vier Stunden voneinander getrennt verzehrt werden. Außerdem wurde den Juden vorgeschrieben, zwei verschiedene Teller und Geschirr zu benutzen, damit unter keinen Umständen ein Stück Käse mit Fleisch in Berührung kommen konnte. Im heutigen Sprachgebrauch wird es im Zusammenhang mit koscherem Essen verwendet.

Die Verschärfung der Gesetze nach den „Sopharim“ fand also zwischen 450 v. Chr. und 30 v. Chr. statt, wurde aber nur mündlich überliefert. Daran schloss sich eine zweite Phase der Gesetzesverschärfung an, die bis etwa 220 n. Chr. andauerte. Sie wird als „Tannaim“ bezeichnet. Die Rabbinen dieser Zeit untersuchten die ergänzenden Gesetze der „Sopharim“ und stellten fest, dass es immer noch „Schlupflöcher“ gab, um zum mosaischen Gesetz zu gelangen. Sie betrachteten die Gesetze der „Sopharim“ als dem mosaischen Gesetz gleichwertig.

Der heute bekannte „Talmud“ ist eine Sammlung aller rabbinischen Vorschriften, die in der Phase der „Sepharim“ und „Tannaim“ entstanden sind. Während des irdischen Wirkens Jesu waren diese Gesetze zwar in Kraft, aber nicht schriftlich niedergelegt. Dies ist wichtig zu verstehen, da Jesus in den Diskussionen mit den Pharisäern einen Unterschied in der Argumentation macht. Der Umfang des „Talmuds“ steht in Spannung zum mosaischen Gesetz. Weil die hinzugedachten Gesetze des Talmud im rabbinischen Judentum den gleichen Stellenwert haben wie die 613 Gesetze von Mose.

Mit diesem Hintergrundwissen wird dann auch die bildliche Erklärung Jesu laut Vers 36 verständlicher. „Niemand setzt einen Lappen von einem neuen Kleid auf ein altes Kleid; denn sonst zerreißt er auch das neue, und der Lappen vom neuen passt nicht zu dem alten.“

Symbolisch will Jesus hier deutlich machen, dass er nicht gekommen ist, um die alten Ansichten des rabbinischen Judentums zu bestätigen. Also auch nicht, um mit seinen neuen Ansichten die Löcher im „Gesetzeszaun“ zu stopfen. Er bietet etwas an, was die Rabbinen nicht korrigieren können. Etwas Neues, das nicht mit dem Alten vermischt werden kann. Vielleicht hilft das Beispiel des „neuen Weines“. Neuer Wein hat die Eigenschaft, sich auszudehnen oder zu gären. Verwendet man alte Schläuche, entstehen Risse im alten Schlauch. Der Verlust von Wein ist nicht erwünscht. Die Lösung heißt also „neuer Wein in neuen Schläuchen“.

Vers 39 ist wahrscheinlich nicht leicht zu verstehen. Ist der „neue Wein“ nicht gleichbedeutend mit der Lehre Jesu? Also sollte es doch das Ziel sein, den „neuen Wein zu trinken“, oder?

Herr Fruchtenbaum hat zwei Interpretationsmöglichkeiten für diesen Vers: Zum einen will Jesus damit sagen, dass die Pharisäer sich nicht überwinden können, den „neuen Wein“ anzunehmen. Weil er ihnen besser schmeckt. Zum anderen könne auch gemeint sein, dass der „alte Wein“ in diesem Fall mehr mit dem mosaischen Gesetz zu tun habe und der „neue Wein“ mit dem „talmudischen Gesetz“. Jedenfalls haben die jüdischen religiösen Führer Jesus in seiner Rolle als Messias nicht akzeptiert.

Ich hoffe, mit diesen Hintergrundinformationen den jüdischen Glauben näher gebracht zu haben und zu zeigen, dass Jesus über den jüdischen Traditionen steht. In diesem Sinne Gottes Segen. AMEN

Anbei unten ein Lied welches bei Spring 2023 von MJ DEECH vorgestellt wurde. Viel Spaß

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